Wiedersehen nach drei Jahren

Moriya ist gar nicht so weit von Tokyo entfernt. Und dank des Tsukuba-Express kann ich in etwa 40 Minuten auch einfach durchfahren bis ins Herz Tokyos; wahlweise nach Asakusa oder Akihabara.

Akihabara, ich habe dich vermisst!

Klar also, dass ich die Gelegenheit nutze, ein paar alte Freunde wiederzutreffen, die – entweder noch immer oder wieder – in Tokyo leben!

Am Samstag nach meiner ersten vollen Arbeitswoche traf ich mich mit meiner ehemaligen Tandempartnerin, die ich in Düsseldorf kennengelernt hatte, die dann aber nach insgesamt immerhin fünf Jahren Deutschland inmitten der Pandemie zurück nach Japan gekehrt ist. Es war echt toll, sich nach all der Zeit wiederzusehen. Wir hatten uns viel zu erzählen, aßen gemeinsam zu Mittag und schlenderten dann durch ein nahegelegenes Kaufhaus in Kinshichô im Osten Tokyos (Hauptsache drinnen, wo die Klimaanlagen laufen…). Nebenbei half sie mir auch, eine App aufzusetzen, damit ich nicht wie die letzte Oma mit Bargeld herumhantieren muss. Offenbar hat sich Japan dahingehend in den letzten Jahren etwas verändert und auch wenn man nach wie vor überall bar bezahlen kann, so nutzen die meisten jungen Leute entweder ihr Handy oder ihre Smartwatch. Da meine Uhr nicht smart genug ist, habe ich mich für die App entschieden, ein paar Tausend Yen draufgeladen und dann meinen ersten Einkauf in einem Konbini getätigt. Der Verkäufer war richtig begeistert, als ich ganz beeindruckt davon war, endlich in der Gegenwart angekommen zu sein…^^‘

Zwar zahle ich in Deutschland auch nur selten bar, aber im Gegensatz zu Deutschland kann man in Japan nicht mit der normalen Bankkarte bezahlen, sondern nur Kreditkarten – und ich habe (noch) keine japanische aus dem alleinigen Grund, dass mein Name zu lang dafür ist… verflucht sei die europäische Unart, zwei Vornamen zu tragen… *Faust in Richtung Pass schüttel* Bis ich also einen Anbieter finde, der mehr als zehn Zeichen für den Namen zulässt, bin ich also auf die App angewiesen.

Als es spät wurde, verabschiedeten wir uns und vereinbarten, uns bald wiederzusehen. Ich schlenderte noch ein wenig durch Akihabara, den Elektronik-Bezirk Tokyos (wenn schon, denn schon), fuhr dann aber heim, da es mir doch ein wenig zu viel Gewusel war. Wahrscheinlich muss ich mich erst wieder an die Menschenmassen in Tokyo gewöhnen. Jedenfalls genieße ich die Ruhe in Moriya dann abends doch.

Say cheese! Fan und ich mit leckeren Burgern.

Am Sonntag fuhr ich schon wieder nach Tokyo, diesmal, um Fan zu treffen! Ihn habe ich auch schon drei Jahre nicht gesehen. Schon Wahnsinn, dass wir uns noch aus Okinawa kennen und immer noch in Kontakt miteinander stehen, das ist neun Jahre her. Da er Vegetarier ist, gingen wir in einem veganen Restaurant in Ikebukuro essen (ich hatte einen Falafelburger) und danach ins Einkaufszentrum Sunshine City. Natürlich zog es uns beide Nerds ins Pokémon Center, wohin auch sonst, hehe. Ich kaufte mir zwei kleine Handtücher und ein Plüsch-Flamara als verspätetes Geburtstagsgeschenk für Fan, worüber er sich sehr gefreut hat. Danach erkundeten wir noch ein wenig das Gebäude, denn wir entdeckten ein Schild, auf dem „Passport“ stand und überlegten, was damit gemeint sein könnte. Spoiler: In dem Einkaufszentrum kann man tatsächlich einen Reisepass beantragen, wenn man Japaner ist… In Deutschland kaum vorstellbar. Die ganzen Japaner dort dachten sich wahrscheinlich auch, was die beiden Ausländer da fernab der ganzen Geschäfte suchen^^‘

Ich wähle natürlich Flamiau, ist ja klar.

Wir machten kurz Rast in einem Café und beschlossen dann, nach Shibuya rüberzufahren, da es noch nicht spät war. Auch dort suchten wir erstmal die obligatorischen Geekstores (Nintendo Shop und Pokémon Center) auf und dann zum Abschluss IKEA 😀 Eigentlich wollte ich nur wissen, ob IKEA in Japan genauso ist wie in Deutschland und die Antwort ist eindeutig Ja, aber besser, denn die Sachen dort haben nicht nur schwedische Namen, sondern auch noch eine Katakana-Version davon und das klingt einfach unglaublich witzig. Ansonsten sind die Sachen da tatsächlich auch relativ günstig, also habe ich mir gleich mal ein Sofa gemerkt, dass ich eventuell kaufen möchte. Wie es sich für IKEA gehört, konnte man dort auch günstig Hotdogs kaufen (auch in vegan), aber aufgrund der Hitze entschieden wir uns doch für Ramune-Eis (echt lecker) und Fan hatte dann noch vegetarische Karaage (eigentlich frittiertes Hähnchen), die echt gut schmeckten.

Die berühmte Scramble Crossing ist voll wie eh uns je. Kaum zu glauben, dass hier während der Pandemie keine Menschenseele war (ft. creepy face auf dem 109-Gebäude o_O).

Eigentlich wollten wir zum Abendessen unbedingt in das Bosch Café (ja, in dem Gebäude, in dem ich damals Praktikum gemacht habe), da wir das bereits vor drei Jahren geplant und dann nicht mehr geschafft hatten, aber leider schloss es bereits um 19 Uhr, weshalb wir das nochmal verschoben haben. Stattdessen haben wir dann eine Salatbar in einem der unzähligen Einkaufszentren in Shibuya gefunden, wo man seinen eigenen Salat zusammenstellen kann. Ich hatte einen gepimpten Caesar-Salat mit Avocado, der echt gut schmeckte. Alles richtig gemacht also.

Ich freue mich total, in der Nähe von Tokyo zu sein, denn ich kann so viele Leute wiedersehen. Vergangenes Wochenende habe ich ein paar Leute aus meinem Praktikum getroffen und das waren immer noch nicht alle… Es ist verrückt, aber die meisten sind nun mal in Tokyo und Umgebung, weshalb ich über meine Platzierung doch ganz glücklich bin.

Langsam hole ich mit dem Blog auf – vergangenes Wochenende war ich nämlich auf zwei Festen, zu denen ich unbedingt etwas schreiben will, aber gleichzeitig war ich auch sehr spät heim und morgen muss ich nochmal für ein Training nach Mito, die Präfekturhauptstadt von Ibaraki. Die Nähe zu Tokyo bedeutet gleichzeitig nämlich, dass das Zentrum/der Norden von Ibaraki etwas weiter weg sind, wodurch ich etwa zwei Stunden dahin brauche und daher wohl erst später heim bin. Aber am Wochenende kann ich hoffentlich was zu den Festen schreiben!

Willkommen in Moriya! Meine Kollegen haben mich mit einer Nachricht auf Deutsch überrascht.

Bei der Arbeit läuft es übrigens mittlerweile ziemlich gut. Ich habe bislang sehr viel übersetzt, bin mit dem ersten „Projekt“ aber heute fertig geworden und habe mich dann ans nächste gesetzt, jetzt stelle ich Material zusammen für eine Künstlerin aus England, die für ihre Arbeit für drei Monate nach Moriya kommt. Am Freitag war meine Willkommensfeier und es war echt toll, die Leute mal abseits des Büros kennenzulernen, das war auf jeden Fall ein toller Abend und ich konnte mich mit allen super unterhalten. Dabei habe ich auch erfahren, dass meine Tantôsha (die sozusagen für mich zuständig ist und mir hilft) sogar mal in Düsseldorf war und ein anderer Kollege ziemlich coole Kartentricks drauf hat. Außerdem ist eine Kollegin super nett und nimmt mich morgens mit dem Auto mit zur Arbeit, da meine Wohnung auf dem Weg liegt und ich immer noch kein neues Fahrrad habe. Zurück laufe ich dann aber, um nicht zu viele Umstände zu machen. Ich habe zwar das Rad meiner Vorgängerin bekommen, aber das ist leider viel zu klein für mich. Offenbar hatten sie nicht mit einer 1,82 m großen Europäerin gerechnet 😀 Heute war ich mit meinem Kollegen im Fahrradladen und bin ein bisschen Probe gefahren und fand eines ganz gut, vielleicht wird es also bald etwas!

Willkommen in Moriya

Vergangene Woche Mittwoch bin ich also in Moriya angekommen. Am Donnerstag musste ich bereits ins Büro, doch netterweise bot mir eine Kollegin an, mich mit dem Auto mitzunehmen, da ich den Weg nicht kannte und ich noch kein Internet am Handy hatte, um mich notfalls mit Google Maps fortzubewegen. Ich war dankbar dafür, zumal es unfassbar heiß und schwül war (und immer noch ist). Selbst morgens früh vor 8 Uhr haben wir schon 30 Grad erreicht und die hohe Luftfeuchtigkeit tut ihr Übriges.

Das Rathaus der Stadt und mein Arbeitsort. Es gibt sogar ein kleines Türmchen mit Aussichtsplattform!
Meine Kollegen luden mich an meinem ersten Tag ein und es waren die besten Karaage, die ich je gegessen habe!

Ich war ziemlich nervös, das erste Mal „richtig“ im Büro zu sein (am Vortag hatte ich ja nur allen Hallo gesagt), aber alle waren richtig lieb zu mir und im Grunde blieb ich auch gar nicht so lange da, weil ich den halben Tag durch die Stadt gefahren wurde (danke an meinen Kollegen dafür!), um diverse Formalitäten zu erledigen – ein neues Bankkonto musste her, ich musste meine Adresse registrieren (gut, da man das im Rathaus macht und ich da arbeite, musste ich quasi nur zum Schalter gegenüber) und dann habe ich endlich auch einen eigenen hanko bekommen! Yay!

Zur Information:

In vielen asiatischen Ländern wird anstelle einer Unterschrift ein hanko verwendet – das ist ein Stempel mit dem eigenen Namen. Dieser ist höchst offiziell und registriert und wird wie bereits erwähnt immer benutzt, wenn in Deutschland eine Unterschrift nötig wäre. Zuvor hatte ich keinen, da es für Nicht-Asiaten, die keinen solchen Stempel haben, in der Regel auch kein Problem ist, an der Stelle einfach zu unterschreiben – doch da ich nun hier arbeite, ist es doch praktischer, einen eigenen hanko zu haben – zumal der Platz für die Unterschrift manchmal doch etwas knapp ist.

Da ich keinen japanischen Namen habe, ist mein hanko mit Katakana gemacht (ソハツキ). Ich durfte mir sogar aussuchen, ob ich meinen Vor- oder Nachnamen nutzen will, aber der Nachname kam mir doch offizieller vor. Außerdem ist er für die meisten Japaner einfacher zu lesen als mein Vorname.

Dann durfte ich auch schon munter drauf los stempeln,  da es einen Haufen Dokumente gab, die ich absegnen musste. Hab dadurch gleich schon etwas Übung bekommen, mit meinem hanko zu stempeln und bin sogar ein klein bisschen stolz darauf, haha.

In der ganzen Stadt blühen so schön die Blumen und Bäume!

Am gleichen Tag hatte ich auch noch einen Termin, den Bürgermeister der Stadt zu treffen und mich vorzustellen (schließlich ist er quasi der Oberchef). Ich war sehr nervös, doch er ist ein echt lockerer und netter Herr. Er hat sich für mein Gastgeschenk (Teegebäck von Heinemann sowie Haribo in Düsseldorfer-Radschläger-Form) bedankt und dann haben wir noch ein wenig geplaudert.

Dann hat mir mein Kollege noch das System erklärt und ich konnte mich ein wenig durch die Ordner meiner Vorgänger wühlen, um einen Einblick in die Arbeit zu bekommen. Dann war auch schon Feierabend und mein Kollege, nett wie er ist, brachte mich wieder heim. Da am nächsten Tag Feiertag war, hatte ich auch Gelegenheit, ein wenig die Gegend zu erkunden und mich einzurichten (sowie den Jetlag endlich auszuschlafen, haha).

Am Samstag half mir meine Kollegin dabei, mir eine neue Matratze zu kaufen, da ich zwar einen Futon von meiner Vorgängerin erhalten habe, die Unterlage aber sehr dünn ist und ich daher eine neue kaufen wollte. Zusätzlich habe ich mir noch ein kleines Regal besorgt und mich im 100-Yen-Shop mit allerlei Kleinkram (Kleiderbügel, Haken für die Wände, Handtuchhalter, Box für mein Besteck etc…). Das Nötigste habe ich von meinen Vorgängerin „geerbt“ und meine Wohnung ist auch möbliert, aber ein bisschen was musste ich dennoch besorgen. Nun habe ich aber alles soweit, denke ich!

Ich feiere das Gesicht total.

Mir fiel auf, dass sich Japan in den letzten drei Jahren, die ich nicht hier war (aufgrund der Pandemie?) doch ein wenig geändert hat. Das fängt schon dabei an, dass quasi jeder Laden Selbstbedienungskassen hat, und dann haben total viele Restaurants mittlerweile zusätzlich zu den Mitarbeitern noch Roboter, die durch die Gegend fahren und das Essen ausliefern. Man bestellt an einem Tablet am Tisch (oder per Handy) und dann wird das Essen zu einem rausgefahren. Mitarbeiter gibt es natürlich dennoch, wenn man lieber mit Menschen sprechen möchte und sie laufen auch durch den Laden und schauen, ob alles in Ordnung ist. Auf jeden Fall war das echt merkwürdig, als ich einen Laden betrat und plötzlich ein fröhlich klimpernder Roboter an mir vorbeifuhr! Japan lebt halt schon in der Zukunft.

Ich habe vergangenes Wochenende auch genutzt, mir die Gegend hier genauer anzuschauen. Unter anderem habe ich in der Nähe meiner Wohnung (quasi bereits am Stadtrand) einen Park entdeckt, der echt schön ist. Es ist weniger Park und mehr Wiesen und Felder?

Hier sieht man ganz besonders, dass Moriya seine Wurzeln in der Landwirtschaft hat. Persönlich gefällt es mir sehr gut – ich war am Wochenende auch in Tokyo, um eine Freundin zu treffen, und auch wenn Tokyo eine sehr faszinierende Stadt ist, war ich am Ende doch froh, wieder zurück in mein ruhiges Städtchen zu fahren.

Zum Abschluss noch ein paar weitere Bilder in keiner bestimmten Reihenfolge.

Die ersten drei Tage

Am 5. August also habe ich mich mit den anderen Teilnehmern aus Deutschland auf den Weg nach Japan gemacht. Über Istanbul flogen wir zum Flughafen Tokyo-Haneda, wo wir bereits von Mitarbeitern empfangen und zu einem Hotel in Shinjuku gebracht wurden, wo in den folgenden drei Tagen ein Orientierungsprogramm geplant war.

Da unser Flug nach Japan leider etwas Verspätung hatte, kamen wir erst gegen 23 Uhr im Hotel an. Wir waren alle müde, da keiner so richtig im Flugzeug schlafen konnte, aber auch zu aufgekratzt, direkt schlafen zu gehen, immerhin waren wir gerade erst in Tokyo angekommen!

Aussicht aus dem Flugzeug. Hier der Anflug auf Istanbul.

Ich teilte mir das Hotelzimmer mit zwei anderen Teilnehmerinnen aus Deutschland und gemeinsam zogen wir noch am selben Abend (bzw. in der Nacht) los, um was zu futtern zu finden. Unweit des Hotels entdeckten wir einen Abura-Soba-Laden und da wir uns sicher waren, dass Mitternacht der perfekte Zeitpunkt für deftiges Essen ist (wobei, eigentlich war für uns ja erst 17 Uhr…), entschlossen wir uns dafür.

Mein erstes Essen in Japan: Abura Soba mit Gyoza und Miso-Suppe als Beilage.

Das Hotel, in dem wir untergebracht waren, war auch richtig schick. Es hatte ganze 45 Etagen und dürfte somit eines der höchsten Gebäude sein, die ich jemals betreten habe. Und die Aussicht von ganz oben war atemberaubend!

In den folgenden Tagen standen viel Training sowie Vorträge auf dem Programm, die teilweise echt interessant waren. Unter anderem konnten wir auch Erfahrungsberichte von anderen Teilnehmern anhören und uns Tipps für unsere eigene Arbeit abholen. Die Abende hatten wir dann frei und nutzten diese für Austausch mit Gleichgesinnten (so viele Leute aus so vielen Ländern!) sowie Rausgehen, um die Umgebung kennenzulernen.

Am Mittwoch ging es dann in die jeweiligen Präfekturen, d.h. wir verabschiedeten uns voneinander und versprachen, in Kontakt zu bleiben. Gemeinsam mit JETs anderer Länder, die ebenfalls nach Ibaraki mussten, wurden wir mit einem Bus abgeholt und in die Präfekturhauptstadt Mito gebracht. Von dort holte mich ein Mitarbeiter aus dem Rathaus Moriyas mit dem Auto ab und brachte mich zu meinem zukünftigen Wohnort. Da die Fahrt etwa eine Stunde dauerte, hatten wir viel Zeit für Gespräche. Dann kamen wir auch schon an und ich wurde ins Rathaus gebracht, wo ich mich kurz meinen neuen Kollegen vorstellte und noch spontan einem Treffen einer Gruppe Jugendlicher beiwohnte, die kürzlich im Rahmen eines Austauschprogramms in der deutschen Partnerstadt gewesen waren. Sie teilten ihre Eindrücke und es war sehr spannend, mir ihre Erfahrungen in Deutschland anzuhören. Dann wurde ich in meine Wohnung gebracht und zwei Kolleginnen fuhren noch mit mir in den Supermarkt, um das Nötigste einzukaufen.

Ja, und dann war ich da.

Ich muss sagen, es ist echt toll, wieder in Japan zu sein. Ich habe es wirklich vermisst und kann immer noch kaum glauben, dass dieser Traum von mir, erneut hier sein zu dürfen, wahr geworden ist. Auch wenn erst knapp zwei Wochen vergangen sind, fühle ich mich bereits pudelwohl hier und habe auch das Gefühl, angekommen zu sein. Dafür muss ich mich auch bei meinen neuen Kollegen bedanken, die mich gleich so nett und hilfsbereit aufgenommen haben und mir alles erklären, wenn ich mal nicht weiter weiß.